| |
Leseprobe aus 'Beamte und Erotik':
Leistungs-Show
Katharina
trug heute ihren anthrazitfarbenen, vorteilhaft geschnittenen Rock mit
Gummibündchen und eine hellgraue Tunika – ganz auf Männerfang. Da
weder die Eier- noch die Ananasdiät Katharinas Format reduziert hatten,
versuchte sie, mit elfengleichem Gang und mädchenhaftem Gekicher
Kollege Dieters Aufmerksamkeit zu erheischen. Zum Frühstück hatte sie
nur Kaffee getrunken und auf ihr geliebtes Schokoladencroissant
verzichtet. Morgen, ganz sicher morgen wollte sie mit einer Kohlsuppendiät
beginnen und dann, ja dann würde sie Masse verlieren und Männerblicke
gewinnen.
Dieter war ein
ruhiger Mensch, der wusste, dass er als Beamter des mittleren Dienstes
keinen anderen Arbeitsplatz mehr bekäme. Ende-der-Karriere.
Er hatte sich immer einen ruhigen Arbeitsplatz gewünscht, am liebsten
ein Einzelzimmer in Südausrichtung. Als ein Personalsachbearbeiter
gesucht wurde – mit Einzelzimmer und Nachmittagssonne – hatte er
sich, wie selten in seinem Leben, ins Zeug gelegt, getreu seinem
Wahlspruch: „Zunächst arbeiten, um sich dann auf den Rücken zu
legen.“ Der Arbeitsplatz in der Personalabteilung schien ihm dafür
geeignet zu sein.
Dieter war belesen,
grundgütig und etwas betulich. Er liebte historische Bücher, die er
auch gern im Dienst las. Eine Geschichte sollte sein Leben in besonderem
Maße beeinflussen, sogar revolutionieren. Die Geschichte von Potemkin,
der am Hofe der russischen Zarin im achtzehnten Jahrhundert lebte. Einer
Erzählung zufolge ließ der Günstling der Zarin anlässlich ihres
Besuchs im eroberten Krimgebiet entlang der Wegstrecke Dörfer aus
bemalten Kulissen errichten, um das wahre Gesicht der ärmlichen Gegend
zu verbergen. Lob und Anerkennung für blühende Landschaften und das
weiche Bett der Zarin winkten als Belohnung. Unzählige Male las Dieter
die Geschichte von Potemkin, kratzte sich am Sack und bewunderte
Potemkin, der für Nichts auch noch Anerkennung einheimste. Eine
Meisterleistung, von der ein kleiner Beamter nur träumen konnte.
Es brauchte einige
Zeit, bis sein analoges Denken einsetzte und Dieter sich sagte: Was früher
funktionierte, funktioniert heute auch!
Er gestaltete sein
schmales Bürozimmer um. Zunächst beschaffte er sich einen Aktenbock,
altersschwach sollte der sein und sich biegen unter der Last dicker
Akten. Dann legte er grüne Personalakten an. Diese versah er mit
Formularen, Fotokopien, handschriftlichen Vermerken und Paginierung.
Papier und Tinte waren real. Die Personen in den Akten aber existierten
nur als Luftkollegen, nicht in der Realität. Vierzig Akten legte er auf
seinen Aktenbock. Weitere Aktentürme wurden auf der Fensterbank
angelegt, die größten Stapel auf dem Fußboden drapiert. Bald würde
ihm vermutlich nur ein Trampelpfad verbleiben. Der Dienstvorgesetzte kam
kaum noch in sein Zimmer, er wollte den armen Kerl nicht bei der vielen
Arbeit stören.
Das Zimmer seines Chefs lag gleich nebenan. Dieter hatte
sich ein Handy gekauft und rief sich damit selbst auf dem Diensttelefon
an. Mit zwei Telefonen bewaffnet, spielte er sein Spiel. Lange Klingeln
lassen, man war schließlich beschäftigt. Sich vernehmlich melden und
fachkundig einen Luftkollegen beraten. Natürlich nur, wenn der Chef
tatsächlich im Nebenzimmer weilte. Klingeln, Kompetenz zeigen,
brilliante Beratung und – mit einem vernehmlichen Seufzer erschöpft
das Gespräch beenden.
Warum auch sollte er
wirklich arbeiten? Sein Vorgesetzter hielt ihn für einen
ausgezeichneten Mitarbeiter und schrieb fulminante Beurteilungen. Und für
Dieter war es einfacher, überragende Leistung vorzutäuschen, als
mittelmäßige zu erbringen. Noch nach Jahrhunderten bewährte sich
ausgefeilte Taktik. Dieter weitete aufgrund dieses Erfolgs sein
potemkinsches Tätigkeitsfeld auf das Privatleben aus, kaufte sich ein
Endreihenhaus, gönnte sich einen extra-großen Mercedes. Neid und
gesellschaftliche Anerkennung flossen ihm zu. Reihenhaus und
Luxusschlitten. Kein Dachziegel gehörte ihm und kein Reifen. Seine
Hausbank hielt die Fassade hoch, auch sie wusste wohl, was potemkinsche
Dörfer sind.
Katharina hingegen war keine Luftkollegin, sondern körperlich wie
geistig überdeutlich wahrnehmbar. Dieter fand sie einfach nett. Wenn
sie ihren Pullover mit dem tiefen Ausschnitt trug, fand er sie sogar
richtig nett. Das Gefühl, mit beiden Händen zupacken zu wollen, ließ
ihn allerdings erschrecken – zu viel der Realität.
Die laute, propere Katharina aber lebte im Hier und Jetzt. Sie wollte
keinen Cowboy, aber einen Mann, und das sofort.
„Hallo, Dieter,
mein Schnuckelchen! Hast du am Wochenende schon etwas vor? Magst du
Burgunderbraten in Rotweinsauce? Ich denke schon! Also am Samstag um
siebzehn Uhr bei mir!“
Katharina brauchte
keine Antwort. Dieter schluckte.
„Also, ich ... äh
...“
„Du brauchst
nichts mitzubringen. Ich habe alles im Haus. Nur gute Laune bringst du
mit!“
Schnellen Schrittes
war sie aus seinem Akten-Ausstellungsraum verschwunden.
Dem Personalsachbearbeiter schauderte, ahnte er doch, was ihm blühte:
Nichts gegen ihre Auslagen, aber wenn ich mir das alles so genau
vorstelle ... Er bekam einen leichten Drehschwindel.
Samstag. Dieter
hatte Rosen besorgt und Katharina drei Tage Kohlsuppendiät hinter sich.
Manchmal verging so eine Woche wie im Flug. Dieter verzweifelte fast.
Lange war es her, seit er sich sexuell vergnügt hatte. Damals gab es
kein AIDS, keine feministischen Frauenbewegungen und auch keine
lesbischen Peitscheninfernos. Aber vielleicht wollte Katharina wirklich
nur Burgunderbraten in Rotweinsauce essen. Er hatte vorsichtshalber
Kondome gekauft, in ein Papiertaschentuch gewickelt und unauffällig in
seine Hosentasche gestopft. Der Beamte des mittleren Dienstes fühlte
sich überfordert. Sex wollte er angehen wie seinen Dienst: Erst ein
wenig arbeiten, um sich dann auf den Rücken legen zu können. Für
einen Moment träumte er, sich sofort auf den Rücken zu legen und
Katharina an sich arbeiten zu lassen. Eine erdrückende Vorstellung.
Dieter hatte gebadet. Burgunderbraten in Rotweinsauce trieben ihn zu
ungewöhnlichen Schritten. Katharina glänzte als ausgezeichnete
Gastgeberin. Braten, Sauce und Salzkartoffeln mundeten vorzüglich.
Erfreut, ihre Diät zu unterbrechen, haute sie so richtig rein. Sauce
rann über ihr Kinn. Dieter sah das braune Saucenrinnsal und hoffte,
dass Katharina wirklich nur Burgunderbraten liebte.
Er nieste, zog abrupt ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und
erwischte das Ich-will-Safer-Sex-Taschentuch. Das ruckartig Entpackte
sauste über den Tisch und kam in der Mitte zum Stillstand. Ein gefühlsechtes
Kondom auf dem Esstisch. Männliche Seelen können innerlich
aufschreien.
Katharina sah das
Kondom und leckte sich genüsslich Saucenreste von den Lippen... |
Wird der Held die Heldin bekommen? Weiter geht's in 'Beamte
und Erotik'! ...außerdem 16 prickelnde Geschichten vom
Regierungsobersekretär Karl-Heinz, vom Stress im Bauamt, von Beamten und
Tampons, von weiblichen Problemlösungstechniken und von ungezügelter Lust im
Einwohneramt...
Überall im Buchhandel erhältlich und bei den
Internetversendern
Beamte und Erotik enthält 17 Geschichten:
1. Fromm und Hagelstein
2. Regierungsobersekretärin Katrin Schmitz
3. Regierungsobersekretär Karl-Heinz
4. Verdorbenes Fleisch
5. Esst mehr Obst
6. Der Tod in Woodchurch
7. Leistungs-Show
8. Weibliche Problemlösungstechnik
9. Stress im Bauamt
10. Lotti
11. La Fée Verte
12. Spiegel
13. Quarkboller und ungezügelte Lust im Einwohneramt
14. Tampon oder Binde?
15. Alwine
16. Stellungswechsel
17. Famous Last Words
nach
oben
Hörprobe* aus 'Beamte und Erotik':
Famous Last Words
* = kann Spuren von Erdnüssen enthalten.
nach
oben
|